Wie schaffen es Zugvögel, sich auf Strecken von manchmal mehreren tausend Kilometern zu orientieren? Darüber sprachen wir mit dem Leiter der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer, Peter Südbeck. Mit der gleichen Fragestellung befasst sich auch der Sonderforschungsbereich „Magnetrezeption und Navigation in Vertebraten: von der Biophysik zu Gehirn und Verhalten“ an der Universität Oldenburg, der von der Professor Dr. Henrik Mouritsen geleitet wird. Wir haben einige seiner Nachwuchswissenschaftler_innen zu ihrer Forschung befragt – Links hierzu finden sich am Ende des Interviews.
Jährlich sind weltweit schätzungsweise 50 Milliarden Zugvögel unterwegs. Zweimal im Jahr legen sie tausende von Kilometern zurück, um von ihren Brutgebieten zu den Winterquartieren und wieder zurück zu fliegen. Einige Arten ziehen im Herbst zu Millionen aus dem hohen Norden zum Wattenmeer. Sie stärken sich hier für den Weiterflug nach Südeuropa oder Afrika. Bei ihrer Reise überqueren sie oftmals ganze Meere, ohne die Orientierung zu verlieren. Wie machen sie das? Mit Peter Südbeck, Leiter der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer, habe ich grundlegende Fragen zu Zugvögeln und deren Orientierungssinn geklärt.

Foto: Nationale Naturlandschaften e.V.
ForschungsNotizen (FN): Es sind ja nicht alle Vogelarten Zugvögel. Können Sie mir ungefähr sagen, wie viel Prozent zu den Zugvögeln zählen?
Peter Südbeck (PS): Der Begriff Zugvogel ist nicht so ganz einfach zu definieren, da es auch viele „Übergangsformen“ gibt. Es gibt Populationen, von denen ein großer Teil zieht, aber auch einzelne vor Ort bleiben und dann gibt es noch Arten, die sich in einem kleinen Umkreis bewegen, oder diejenigen, die immer unterwegs sind. Reine Standvögel, die auch bei schlechtem Wetter nicht weiterziehen, machen unter 10 Prozent aus. Das heißt, circa 90 Prozent aller Vogelarten weisen ein irgendwie geartetes echtes Zugverhalten auf.
FN: Professor Mouritsen beschäftigt sich vor allem mit den quantenchemischen Prozessen des Magnetsinns dieser Vögel, die für die Orientierung verantwortlich sind. Wenn wir etwas einfacher anfangen… können Sie mir als Laie erklären, wie überhaupt die Orientierung und Navigation funktionieren?
PS: Es gibt verschiedene Kompasssysteme in einem Vogel, um von A nach B zu kommen. Wobei viele von ihnen ja sehr große Distanzen überwinden müssen. Sie greifen also auf ein Set von Kompasssystemen zurück. Zu allererst kann ein Vogel behalten, wo er gerade ist, dann orientiert er sich optisch und merkt sich das Gesehene. Das funktioniert vor allem über die kurze Distanz. Für längere Distanzen benutzt er unter anderem den Sternen- und Magnetkompass. Beim Magnetkompass ist es so, dass der Vogel mit dem Auge sehen kann, wie die magnetischen Feldlinien der Erde verlaufen beziehungsweise in welchem Winkel sie auf die Erde treffen. Diese Funktion können Wissenschaftler_innen bis heute noch nicht vollständig nachvollziehen. Sie wissen aber, und das ist auch das Forschungsergebnis von Henrik Mouritsen über die letzten Jahre, dass ein Molekül auf der Netzhaut dafür verantwortlich ist, dass ein Vogel das magnetische Erdfeld „sehen“ kann und sich daran orientiert. Bei vielen Arten ist dieser Orientierungssinn angeboren, andere, wie zum Beispiel Gänse, die zu Beginn mit ihren Eltern fliegen, müssen so den Weg erlernen.
Dann gibt es noch den Sternenkompass, dieser ist uns grundsätzlich geläufiger, da auch einige von uns Menschen sich Sterne und Sternenbilder merken oder sich sogar daran orientieren können. Die Veränderungen des Nachthimmels über die Jahreszeiten hinweg können die Vögel dann verrechnen und dadurch Wege beschreiben.
Zudem navigieren Vögel mit Hilfe des Sonnenkompass, bei dem der Sonnenstand und die Richtung des Sonnenuntergangs wichtige Indikatoren sind. Auch dieser ist uns sehr bekannt, da wir Menschen romantische „Sonnenuntergang-Freaks“ sind.
Zu guter Letzt gibt es noch den Geruchskompass, der aber forschungsmäßig sehr umstritten und für uns oft nur schwer nachvollziehbar ist.
FN: Wie kann man das Zugverhalten der Vögel beschreiben? Zum Beispiel temporär – manche fliegen tagsüber, andere nachts. Woher wissen sie, wann sie losfliegen sollen?
PS: Ja, auch das Zugzeitprogramm ist sehr interessant. Dies ist ein im Wesentlichen genetisch orientiertes Verhalten. Die klassischen Nachtflieger sind unsere Singvögel, Trauerschnäpper oder das Wintergoldhähnchen. Das sehen wir im Nationalpark vor allem daran, dass diese Arten, die sonst auf den Inseln in nicht so großer Zahl vorkommen, am nächsten Morgen nach einer Zugnacht in relativ großen Gruppen in den Gebüschen rasten. Das Wintergoldhähnchen zum Beispiel kommt aus Skandinavien aus den großen Waldgebieten, zieht dann über die Nordsee und landet bei uns oft zuerst auf den Inseln bzw. wir sehen die Vögel dann vor allem auf den Inseln, weil sie am Festland auf großer Fläche eher unsichtbar bleiben. Sie ziehen dann von Busch zu Busch weiter und fressen immer zwischendurch. Gänse hingegen sind klassische Tagzieher.
Und dann gibt es natürlich noch ganz viel dazwischen. Bei uns im Wattenmeer rasten auch die Arten, die in wirklich sehr sehr großen Sprüngen von A nach B ziehen. Sie brechen in der Arktis auf und schaffen drei- bis fünftausend Kilometer an einem Stück. Dafür brauchen sie drei bis vier oder mehr Tage, und sie ziehen dann Tag und Nacht nonstop durch. Eine unglaubliche Leistung, die auch die Besucher der Zugvogeltage immer wieder fasziniert. Diese Arten nutzen das Watt, um sich „fett zu fressen“ und mit dieser Energie weiter nach Afrika in ihre Winterquartiere zu fliegen.

Foto: GeorgManthey
FN: Das ist wirklich eine bemerkenswerte Leistung. Wie weit ist ungefähr die Strecke, die diese Vögel mit Rast innerhalb eines Jahres zurücklegen?
PS: Bei uns sind es immer circa fünftausend Kilometer je Streckenabschnitt. Das bedeutet, pro Jahr kommt ein Zugvogel auf diesem Weg auf locker 20.000 Kilometer. Auf der anderen Seite der Erdkugel, zwischen Alaska und Neuseeland sind es sogar beinahe zehntausend Kilometer je Etappe; eine ungeheure Leistung für Vögel von teilweise nur dreihundert Gramm. Und dann gibt es noch die Küstenseeschwalbe, die bei uns auf den Ostfriesischen Inseln brütet und auf ihren Wanderungen innerhalb eines Jahres sogar bis zu 100.000 Kilometer fliegen kann.
FN: Warum machen viele der Zugvögel gerade bei uns im Wattenmeer Rast?
PS: Das ist auch die Kernfrage der Zugvogeltage und wir können sie relativ gut beantworten. Der Wattenmeerboden ist voller Nahrung. Das Wattenmeer ist zugleich ein extremer Lebens- und Gezeitenraum mit sehr unterschiedlichen Temperaturen, abhängig von der Sonneneinstrahlung, Salzgehalten, Strömungen usw. Es ist also durch sehr große ökologische Differenzen ausgezeichnet. Die Tierarten, die unter diesen Bedingungen überleben können, schaffen dies in sehr großen Individuenzahlen, weil eine wahnsinnig gute Nährstoff- und Nahrungsversorgung besteht. Jede Tide, aber auch die Zuflüsse von Weser, Ems, Jade und Elbe bringen große Nährstoffmengen ins Wattenmeer, von dem die gesamte Nahrungskette leben kann. Genau deshalb ist das Watt voller Leben und die Grundlage dafür, dass die Zugvögel, welche in der Arktis brüten, sich bei uns sicher und garantiert „fett fressen“ können. Sie gleichen damit ihre Nahrungsdefizite, die sie während der langen Flugphase haben, aus und legen zugleich Fettreserven für die weitere Strecke an.
Ein Zugvogel, der diese langen Distanzen zurücklegt, verbrennt beim Fliegen – je nach Körpergröße – fünfzig Prozent und mehr seines Körpergewichtes; das Fett ist sozusagen sein Flugbenzin. Er kommt völlig ausgehungert bei uns an und hat dann drei bis vier Wochen Zeit, die Defizite auszugleichen und neue Reserven aufzubauen. Dabei steigert er sein eigenes Gewicht, ebenfalls je nach Körpergröße, um sechzig bis hundertzwanzig Prozent. Also eine irrsinnige Leistung, wenn wir das physiologisch mal mit uns vergleichen würden. Es wäre eine abstruse Vorstellung, würden wir innerhalb von drei Wochen unser Körpergewicht verdoppeln. Für den Vogel ist es eine nötige Voraussetzung um überhaupt die nächsten fünftausend Flugkilometer überstehen zu können.
Besonders wichtig sind diese Fettreserven für den Rückweg im Frühjahr, also wenn die Vögel nach der Überwinterung in Afrika in die Arktis fliegen. Auf dieser Rast müssen sie sich so große Reserven zulegen, dass davon auch nach dem Flug in die Arktis noch etwas bestehen bleibt. Denn wenn sie dort ankommen, liegt das meiste Nahrungsangebot noch unter Schnee und Eis vergraben und der arktische Sommer geht erst langsam los. Sie benötigen aber Kondition für das, worauf es dann ankommt, auch im Sinne der Evolution, nämlich Eier zu legen, diese zu verteidigen und den Nachwuchs groß zu ziehen. Genau aus diesem Grund ist unser Wattenmeer unverzichtbar; wenn sie hier mit einem Nahrungsdefizit losfliegen müssten, kämen sie entweder gar nicht erst an oder können die Fortpflanzung nicht mehr bewerkstelligen.
FN: Machen denn alle Zugvögel nur Rast im Wattenmeer oder gibt es auch Arten, die über den Sommer länger bleiben?
PS: Ja, das ist eine gute Frage. Die Vogelwelt ist sehr vielschichtig, wir reden hier alleine über 30 Populationen, die den klassischen Wattenmeerarten angehören und sich sehr unterschiedlich verhalten. Wir haben zum Beispiel den Austernfischer, einen ganz typischen Brutvogel fürs Wattenmeer; er brütet bei uns und ist auch den ganzen Winter über hier. Auch kommen nordische und nordöstliche Austernfischer im Herbst und Winter in den Wattenmeerraum und bleiben dann auch bei uns. Wenn aber der Winter besonders kalt wird, was ja leider nicht mehr so oft der Fall ist aufgrund des Klimawandels, dann ziehen sie doch noch weiter Richtung Westfrankreich, wo es etwas wärmer ist.
FN: Das sind also typische Kurzstreckenzieher?
PS: Genau, sie legen nicht so weite Strecken zurück. Hier ist vor allem die Frage interessant, wann sie sich entscheiden loszufliegen. Für sie ist es ein großes Risiko, wenn das Watt vereist ist. Dann kann der Austernfischer seine Nahrung nicht mehr aufnehmen und erleidet somit große Hunger- und Winterverluste. Die Vögel sind dann gewissermaßen in einer „Trade-off-Situation“: Sie entscheiden, möglichst lange weiter im Norden zu bleiben, um im nächsten Frühjahr möglichst frühzeitig ihre „guten“ Reviere besetzen zu können. Auch ist das Fliegen energetisch teuer und gefährlich. Dagegen steht bei den Vögeln, die lange hierbleiben, das Risiko eines Wintereinbruchs, der die Vögel von effektiver Nahrungssuche abhält, in Folge dessen sie zu verhungern drohen. Es ist also eine Abwägung zwischen Bleiben und ggf. Verhungern oder Ziehen und Energieverlusten und Zuggefahren ausgesetzt zu sein.

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FN: Wahrscheinlich ist es kaum möglich, aber können Sie mir Zahlen nennen, wie viele Vögel jährlich im Watt Rast machen?
PS: Wir sind ja Weltnaturerbe, also das gesamte Wattenmeer von den Niederlanden bis nach Dänemark hoch. Man kann sagen, dass circa zehn Millionen Zugvögel unmittelbar von einem intakten Wattenmeer abhängig sind. Somit ist es ein ganz wesentlicher Teil der Biodiversität auf dem ostatlantischen Zugweg. Also für solche Vögel, die von der russischen Arktis kommend direkt oder über Skandinavien oder teilweise auch aus Nordostkanada, Grönland, über Island dann entlang der britischen Inseln zu uns kommen und dann weiter ziehen entlang an der westeuropäischen Küste bis nach West- oder sogar Südafrika. Die zehn Millionen sind nur eine grobe Zahl, weil wir das natürlich sehr schwer zählen können angesichts der Größe des Gebietes, obwohl es gute Zählprogramme gibt.
FN: Sie haben vorhin schon einmal erwähnt, dass die Forschung vor allem beim Orientierungssinn immer noch vor ungeklärten Fragen steht. Haben Sie eine Idee, warum es gerade bei den Zugvögeln so schwierig ist, den Mechanismus zu verstehen und zu eindeutigen Ergebnissen zu kommen?
PS: Zunächst einmal ist das Verständnis des Vogelzuges ja wirklich ein extrem komplizierter Vorgang und ganz viele Elemente sind bereits herausgefunden oder erforscht worden. Und gerade die Orientierung ist für uns Menschen kaum zu begreifen und dafür wissen wir heute eine ganze Menge. Zusätzlich erschwerend wirken natürlich auch die sich immer wieder ändernden Bedingungen für die Zugvögel, auch das müssen wir bei der Betrachtung des Wissensstandes berücksichtigen. Wir reden hier über einen Zugweg, der vom Brutgebiet in der Arktis bis zum Wintergebiet nach Afrika zehntausend Kilometer umfasst. Das heißt, die Einflüsse sind sehr unterschiedlich. Ein Zugvogel muss eigentlich jeden Tag ausreichende Bedingungen haben, sonst kann er nicht überleben. Er stellt damit ungeheure Anforderungen an die Intaktheit seines Lebensraums – er muss seine Nahrung aufnehmen können, ein Brutgebiet sowie einen sicheren Rastplatz haben, und das über einen Raum von zehntausend Kilometern. Das ist natürlich in einer sich ändernden Welt und vor allem von Menschen veränderten Umgebung schwierig. Das Modell Zugvogel ist deswegen auch unter Druck. Wir haben negative Einflüsse auf die Lebensräume in der Arktis, Europa oder auch in Westafrika. Durch die wirtschaftliche Entwicklung, die damit einhergehende Industrialisierung und Umweltverschmutzung, verändern sich die Küstenräume stark und die Vögel müssen sich an diese Bedingungen anpassen. Das macht es für die Forschung, die nur über einen längeren Zeitraum Beobachtungen auswerten kann, so schwierig.

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FN: Die Aspekte der Umweltveränderung wären auch meine nächste Frage gewesen. Inwiefern stören Umwelteinflüsse bzw. von uns Menschen verursachte Veränderungen das Zugverhalten?
PS: Also, wir haben natürlich den übergreifenden Klimawandel, der vor allem den Zeitplan des Zugverhaltens durcheinanderbringt. Wenn die Vögel zum Beispiel in die Arktis fliegen, müssen sie nach einer bestimmten Zeit tatsächlichen den arktischen Sommer erleben, denn die Jungvögel leben von dem hohen Angebot an Insekten, die dann dort oben schlüpfen. Jetzt ist es aber so, dass der Klimawandel in der Arktis schneller verläuft als beispielsweise in Afrika, und das bringt das Zeitprogramm gehörig durcheinander. Dadurch kommen sie zu einem mittlerweile klimatisch falschen Zeitpunkt in der Arktis an und die Jungvögel laufen Gefahr zu verhungern oder nicht rechtzeitig flügge zu werden, weil die Nahrungsmengen nicht mehr ausreichend zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen.
Daneben beeinflussen natürlich auch die Zivilisation und Industrialisierung den Lebensraum der Vögel. Direkte Verfolgung und Jagd spielten früher eine größere Rolle, heute sind es eher Lebensraumveränderungen und -verluste, z. B. durch Entwässerung, Windkraft, Fischerei oder Überdüngung, die einen negativen Einfluss haben. Seeschwalben sind beispielweise abhängig von den Fischen, die sie auf dem offenen Meer jagen. Aber auch dort gibt es heute viele Veränderungen über einen großen Raum, was dem Modell Zugvogel insgesamt negativ zusetzt.
FN: Henrik Mouritsen sprach in einem Artikel, den ich gelesen habe, auch von Umsiedlungsmaßnahmen. Wie könnte so etwas denn funktionieren, wenn die Zugvögel ja auch genetisch auf bestimmte Routen „vorprogrammiert“ sind?
PS: Da gibt es einige Beispiele. Wenn ein Zugprogramm genetisch programmiert ist, muss man diese Genetik natürlich ändern, zum Beispiel über Zuchtprogramme. Dies machen wir in der Tierzucht seit vielen Jahren, das ist aber ziemlich kompliziert. Ein anders gutes Beispiel ist die Zwerggans: sie brütet in Sibirien und überwintert im Bereich des Schwarzen Meeres; dort unterliegt sie einem starken Jagddruck. Das liegt daran, dass sie der Blessgans sehr stark ähnelt, die in großen Beständen vorkommt, deswegen jagdbar ist und wir einen Verwechselungs-Effekt haben. Deswegen wurde versucht, und das geht auch bei anderen Arten, den Jungtieren mit Hilfe von Ultraleichtfliegern die Flugroute nach Westeuropa, wo sie geschützt sind, zu zeigen. Das funktioniert deswegen so gut, weil sie anders als andere Arten die erste Route mit ihren Eltern fliegen und hierbei die Orientierung lernen. Haben sie eine andere Route erlernt, geben sie diese dann an ihre Jungtiere weiter und so weiter. Das ist ein gutes Beispiel für eine technische, biologisch, lernende Einflussnahme des Zugverhaltens, die wunderbar funktioniert.

Foto: Corinna Langebrake
FN: Abschließend möchte ich von Ihnen wissen, warum denn alle, die diesen Blog lesen, zu den Zugvogeltagen in den Nationalpark Wattenmeer kommen sollten?
PS: Als erstes, weil sie mitkriegen, wie toll das bei uns am Wattenmeer ist und spüren können, wie hoch die Bedeutung einer intakten Umwelt für die Zugvögel ist. Man sieht die wahnsinnigen Trupps der Zugvögel in der Luft, die fantastische Flugvorstellungen abliefern. Damit ziehen sie die meisten Besucher_innen in ihren Bann. Und als zweites haben alle die Möglichkeit, über Exkursionen, Vorträge oder Veranstaltungen, die Hintergründe und Facetten des Zugverhaltens zu erfahren. Damit wollen wir immer mehr Menschen emotional fassen, zu Förderern des Wattenmeeres machen und damit den Lebensraum schützen.
FN: Meine letzte Frage bezieht sich noch einmal auf die Forschung. Hilft diese Ihnen auch konkret in Ihrem Arbeitsalltag? Mich interessiert nämlich immer sehr, in wie weit auch Grundlagenforschung unseren Alltag erleichtern und beeinflussen kann.
PS: Wir sagen nicht umsonst „Geheimnis Vogelzug“. Wir wissen also nicht alles. Aber wenn wir die Vögel in unserem Nationalpark schützen , wir sind eine Schutzgebietsverwaltung, dann müssen wir diese Aufgabe natürlich auf dem besten Kenntnisstand gut erledigen. Und das bedeutet, je mehr wir wissen, desto besser. Deswegen unterstütze ich diese Forschung sehr, die zwar Grundlagenforschung ist, wie sie sagten, aber einen unmittelbaren Einfluss auf meine Arbeit hat. Wir müssen weiterkommen, gerade in Anbetracht der wachsenden Herausforderungen. Es ist wichtig zu wissen, was auf die Vögel zukommt, damit wir reagieren und Einfluss nehmen können im Sinne des modernen Naturschutzes. Ich würde sogar sagen, bisher haben wir vieles richtig und gut gemacht, aber nicht alles – das liegt auch an mangelndem Wissen. Das macht uns natürlich auch zu „Rätselnden“ auf der Ebene des konkreten Vogelschutzes, und diese offenen Fragen wollen wir immer weiter reduzieren. Das wird nicht immer gehen, aber unser Ziel ist es, uns möglichst kontinuierlich weiterzuentwickeln und dafür brauchen wir Forschung und auch Grundlagenforschung.
Zum Thema Vogelzug haben wir auch mit einigen Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus dem Sonderforschungsbereich „Magnetrezeption und Navigation in Vertebraten: von der Biophysik zu Gehirn und Verhalten“ an der Universität Oldenburg gesprochen. Hier findet ihr die Interviews mit ihnen:
Katrin Haase: https://forschungsnotizen.ihjo.de/nachgefragt-bei-katrin-haase/
Thiemo Karwinkel: https://forschungsnotizen.ihjo.de/nachgefragt-bei-thiemo-karwinkel/
Corinna Langebrake: https://forschungsnotizen.ihjo.de/nachgefragt-bei-corinna-langebrake/
Bo Leberecht: https://forschungsnotizen.ihjo.de/nachgefragt-bei-bo-leberecht/
Raphael Schween: https://forschungsnotizen.ihjo.de/nachgefragt-bei-raphael-schween/
Lisa Spiecker: https://forschungsnotizen.ihjo.de/nachgefragt-bei-lisa-spiecker/
Siu Ying Wong: https://forschungsnotizen.ihjo.de/nachgefragt-bei-siu-ying-wong/