Beginnende Kirschblüte in Kyoto
Foto: Mara Heinrichs

Nachgefragt

TLDR:

Mara Heinrichs vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) war für zwei Monate für einen Forschungsaufenthalt in Japan. Ich habe einfach mal nachgefragt, wie es für sie war und was sie so erlebt hat.

Lesedauer: 7 min Kategorie: Interview Datum: 21. Juni 2019

Mara Heinrichs vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) war für einen zweimonatigen Forschungsaufenthalt in Japan. In ihrer Promotion beschäftigt sie sich vor allem mit in Tiefseesedimenten (3.000 bis 5.000 Meter unter dem Meeresspiegel) lebenden Viren und Bakterien. Ich habe einfach mal nachgefragt, wie es für sie in Japan war und was sie so alles erlebt hat:

„Mara, über deine Forschung haben wir in unserem letzten Artikel ja schon berichtet, jetzt interessiert mich vor allem, wie es dir in Japan ergangen ist. Erzähl doch einfach mal…

Was bedeutet der Forschungsaufenthalt für dich?“

„Wie hast du dich vorbereitet?“

„Nicht so viel anders, als wenn ich mich auf eine Urlaubsreise vorbereite. Japan ist ein sehr sicheres, hochentwickeltes Land mit exzellenter Infrastruktur, was das Reisen sehr einfach und angenehm macht. Ich habe vor allem viel über die Kultur und Geschichte Japans gelesen und die wichtigsten japanischen Phrasen gelernt, die man im Alltag so benötigt. Um konversationssicheres Japanisch zu lernen, hat die Zeit leider nicht gereicht. Da ich bereits vorher asiatische Länder bereist habe, wusste ich von der komplexen Höflichkeitskultur Japans. Mir war es deshalb besonders wichtig, mich über die ungeschriebenen zwischenmenschlichen und kulturellen Regeln zu informieren, um niemandem unnötig vor den Kopf zu stoßen. So merkt man selber zum Beispiel nicht, wenn man die Etikette missachtet, weil Japaner viel zu höflich sind, um es einem zeigen oder spüren zu lassen.

Da ich aber vor allem zum Arbeiten nach Japan gegangen bin, musste ich mich im Vorfeld auch um die unterschiedlichen Aspekte meiner Forschungsaufgabe kümmern. Hierunter fielen zum Beispiel das Aufstellen eines Zeitplans und einer Liste der benötigten Labormaterialien, die Bewerbung für eine Bezuschussung der Reisekosten oder der Transport der Proben. Die Proben, die ich während meines Aufenthalts an der Japan Agency for Marine-Earth Science & Technology (JAMSTEC) bearbeiten wollte, mussten während des Transports durchgehend gekühlt werden, damit die Viren in den Proben nicht kaputtgehen und ich falsche Virenzahlen erheben würde. Für die lange Reise nach Japan wurde also jede Menge Trockeneis zum Kühlen gebraucht. Da dieses von Fluggesellschaften als Gefahrgut eingestuft ist, konnte ich die Proben nicht selber mit an Bord nehmen. Deshalb haben wir einen speziellen Kurierdienst mit dem Transport beauftragt, der die Proben am Institut abgeholt, sich um die Zollpapiere gekümmert, bei Bedarf Trockeneis nachgefüllt und die Proben persönlich bei meinem Gastgeber in Japan abgegeben hat. Damit sind die Proben quasi besser betreut als ich nach Japan gekommen.“

Tokyo
Foto: Mara Heinrichs

„Wie und wo hast du dort gelebt?“

„Netterweise hat die Sekretärin des Instituts die Wohnungssuche für mich übernommen. Ich durfte mir aussuchen, ob ich alleine oder in einer Wohngemeinschaft leben möchte. Um direkt Anschluss zu haben, habe ich mich für eine WG in einem Stadtteil von Yokosuka entschieden, die circa eine halbe Stunde vom Institut entfernt lag. Ich wohnte in einem typisch japanischen Haus, mit Schiebewänden aus Papier, Tatamimatten (eine dämmende Matte aus Reisstroh als Fußbodenbelag) und sehr puristisch ausgestatten Räumen. In meinem für japanische Verhältnisse relativ großen Zimmer gab es nur ein Futonbett auf dem Boden, eine Ablage für meine Klamotten und einen kleinen Schrank. Es gab keine Zentralheizung, sondern nur eine Klimaanlage in meinem Raum, mit der ich auch heizen konnte.

Meine Mitbewohner waren drei Japaner, die aus den verschiedensten Teilen Japans kamen. Das Zusammenleben war sehr bereichernd und ich bin froh, dass ich nicht alleine gewohnt habe. Unsere Kommunikation war teilweise eine echte Herausforderung, weil meine Mitbewohner so gut Englisch wie ich Japanisch gesprochen haben. Trotzdem ging es, mit Händen, Füßen und Google Translate. So sind einige lustige Missverständnisse entstanden, über die wir sehr gelacht haben. Beispielsweise habe ich einmal irrtümlich verstanden, dass ein Mitbewohner schwer krank ist und ins Krankenhaus gehen muss. Ich habe mir dann den ganzen Tag um ihn Sorgen gemacht. Am Ende hat sich herausgestellt, dass er glücklicherweise nur zu einem monatlichen Routinearztbesuch war, um sich sein Medikament für Bluthochdruck abzuholen. Meine Mitbewohner waren wirklich unglaublich lieb und bemüht, mir bei allem zu helfen und es war ihnen ein persönliches Anliegen, dass ich eine gute Zeit in Japan habe. Von ihnen habe ich sehr viel über die japanische Mentalität gelernt und wir haben uns über unsere kulturellen Unterschiede ausgetauscht. Wir haben auch oft etwas gemeinsam unternommen, wie zum Beispiel in eine Bar oder Essen gehen und Karaoke singen. Der Abschied von ihnen war am Ende dann ziemlich traurig, aber ich bin sehr froh über unsere gemeinsame Zeit.“

„In wie weit hat sich die Arbeit an der Japan Agency for Marine-Earth Science & Technology (JAMSTEC)vom ICBM unterschieden?“

„Die JAMSTEC ist nicht direkt an die Universität angebunden, demzufolge gab es kaum Studierende oder Doktorand_innen. So gab es auch wenig wissenschaftlichen Austausch, wenige Seminare oder Arbeitsgruppentreffen, um sich über Organisatorisches oder Wissenschaftliches (Fortschritte, aber auch Rückschläge oder Fragen) auszutauschen. Die Gruppe der Wissenschaftler_innen war sehr homogen, also fast nur Japaner und damit weniger internationales Flair als am ICBM. Weil leider auch wenig Englisch gesprochen wurde, gab es kleine Sprachbarrieren, was mich doch sehr überraschte, da Englisch eigentlich die gängige Wissenschaftssprache ist.
Generell hatte ich den Eindruck, dass in Japan Privatleben und Arbeit strikter getrennt werden als hier. Dennoch herrschten eine sehr angenehme Arbeitsatmosphäre und ein freundlicher Umgang miteinander. Es wurde viel geredet und gelacht und ich wurde auch in den Smalltalk mit eingebunden und gut aufgenommen. Aber nach der Arbeit gehen die Leute nach Hause zu ihren Familien, während ich in Oldenburg viel öfter auch mal so was mit meinen Kolleg_innen über den Feierabend hinaus unternehme und auch Freundschaften pflege.“

Institusfest an der JAMSTEC. Mara Heinrichs bei der traditionellen Herstellung von Mochi, japanischem Reiskuchen.
Foto: Mara Heinrichs

„Wenn du ein Highlight hervorheben müsstest, welches wäre das?“

„Es ist unglaublich schwer, ein einzelnes Erlebnis herauszusuchen und würde vermutlich auch den Rahmen dieses Blogeintrags sprengen. Die Gesamterfahrung war einfach unglaublich bereichernd. Ich war vor allem von diesem respektvollen, freundlichen und rücksichtsvollen Umgang miteinander beeindruckt. Das war sehr angenehm und es war auch unmöglich sich als Gast unwillkommen zu fühlen. Japan ist ein tolles Land mit einer beeindruckenden Kultur und Tiefe.“

„Wenn du einen Blick von so weit weg auf die Heimat hast, was macht diese besonders?“

„Japan ist das asiatische Land, welches am ehesten dem wirtschaftlichen und technischen Entwicklungsstandard westlicher Industrienationen entspricht. Manchmal hatte ich sogar das Gefühl, dass Japan weiterentwickelt ist. Deutsche genießen international ja den Ruf sehr organisiert, pünktlich und effizient zu sein. „Made in Germany“ gilt weltweit als Gütesiegel. Es kam mir so vor, als wenn in Japan diese vermeintlich typisch deutschen Eigenschaften perfektioniert wurden. Es war oft viel bürokratischer, reglementierter und sauberer und es wurde sich mit einer extremen Liebe zum Detail überlegt, wie man alles optimieren kann. Ich habe beispielsweise nicht einmal ein achtlos zubereitetes Essen gegessen, das nicht geschmeckt hätte. Und sogar die Züge kommen immer pünktlich. Insofern war Japan irgendwie deutscher als Deutschland.
Allerdings bin ich sehr froh, dass wir hier in Deutschland mehr persönliche Freiheiten haben. In Japan wird eine gewisse Uniformität gefördert, es ist wichtig nicht anzuecken oder aufzufallen. Arbeit und Hierarchien bestimmen das Leben in Japan und Japaner_innen stellen oft Privates hintenan. Hier ist die Work-Life-Balance glücklicherweise deutlich ausgeglichener. Und man kann sich selber verwirklichen. Die direkte Art zu kommunizieren und unsere offene Diskussionskultur, in der man Kritik oder seine Gedanken frei äußern kann, haben definitiv ihre Vorteile. Obwohl wir uns schon eine Scheibe von der japanischen Höflichkeit abschneiden könnten. Oh und wie ich das deutsche Brot vermisst habe!“

„Danke Mara, für Deine Offenheit und dass Du uns mit auf Deine Reise genommen hast!“

Liebe Leserinnen und Leser, haben Sie noch Fragen an Mara Heinrichs? Diese können Sie gerne unten in unserer Kommentarfunktion los werden!

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