Das große Becken im Schwimmbad der Universität Oldenburg ist nur ungefähr vier Meter tief. Trotzdem sieht man hier regelmäßig Taucher_innen mit Neoprenanzügen, Atemreglern und Tauchgeräten. Sie üben für spätere Einsätze im Meer, in Flüssen oder Seen: Jährlich absolvieren etwa zehn Personen die Ausbildung „Forschungstauchen“ am Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg – einer von acht Standorten bundesweit, an denen die Ausbildung möglich ist.
Auf die Teilnehmenden wartet für zwei Semester ein umfangreiches Programm: Zum wöchentlichen Tauchen im Unischwimmbad kommen Theoriephasen mit Klausuren, Intensivphasen mit täglichem Training und mehrere Wochen an Exkursionen im Oldenburger Umland, Wilhelmshaven und Dänemark. Sie lernen, mit der Tauchausrüstung umzugehen und Forschungsarbeiten unter Wasser durchzuführen – zum Beispiel einfache handwerkliche Tätigkeiten, Fotografieren oder schriftliche Aufzeichnungen. Auch soziale und kommunikative Fähigkeiten stehen auf dem Stundenplan: Die Azubis lernen die unterschiedlichen Rollen in Tauchergruppen kennen, üben die Verständigung ohne Worte unter Wasser und simulieren Rettungssituationen.

Foto: Hendrik Reinert
Viele der Azubis sind Studierende aus Fächern wie Biologie oder Umweltwissenschaften. 1640 Euro kostet sie die Ausbildung, die sie im Rahmen ihres Studiums anrechnen lassen können. Nur wer die Prüfungen besteht, darf später im Rahmen von wissenschaftlichen Einsätzen tauchen. So ist es von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung vorgesehen, die die Prüfungen abnimmt.
Wie sie die Ausbildung persönlich erleben, berichten der Ausbildungsleiter Frank Donat, die Auszubildenden Katja Fiegener und Jesper Nadolny sowie Lisanne Küppers, die als Ausbildungsbetreuerin arbeitet.
Frank Donat, Ausbildungsleiter
Jesper Nadolny, Auszubildender
Lisanne Küppers, Ausbildungsbetreuerin
Frank Donat, Ausbildungsleiter
Zum Forschungstauchen bin ich während meines Biologiestudiums in Oldenburg in den 1980er und 1990er Jahren gekommen. Damals absolvierte ich die Ausbildung noch auf Helgoland. Ab 1999 fing ich dann mit einigen Kolleg_innen an, eine eigene Ausbildung in Oldenburg aufzubauen. Ausbildungsleiter bin ich seit 2005.

Foto: Hendrik Reinert
Zu meinen Aufgaben zählt unter anderem, die Trainingseinheiten vorzubereiten. In jedem Kurs arbeiten drei bis vier Betreuerinnen und Betreuer. Das sind wissenschaftliche Hilfskräfte, die die Ausbildung selbst schon absolviert haben. Mit ihnen bespreche ich, welche Aufgaben in den nächsten Einheiten anstehen. Wir tauschen uns auch über die Teilnehmenden aus: Wo stehen sie, wer braucht in welchen Bereichen Unterstützung? Eine Besonderheit der Oldenburger Ausbildung ist nämlich, dass wir keine Vorerfahrungen im Tauchen voraussetzen. Das heißt, dass die Azubis auf sehr unterschiedlichen Leistungsständen sein können. Erschwerend kommt hinzu, dass die Teilnehmenden selbst bei leichten Krankheitssymptomen wie Husten oder Schnupfen nicht trainieren sollten. Wenn sie dann nicht kommen können, müssen wir manchmal mit zusätzlichen Trainingseinheiten dafür sorgen, dass sie alles nachholen können.

Foto: Hendrik Reinert
Neben dem Training liegt viel organisatorische Arbeit bei mir: Zum Beispiel muss ich alle Geräte regelmäßig überprüfen und warten, die Prüfungstermine mit der Prüfungskommission der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) abstimmen, die Theoriephasen vorbereiten und Klausuren korrigieren oder mich mit der Univerwaltung zur Abrechnung abstimmen. Gerade während der Intensivphasen ist das ein sehr hoher Zeitaufwand.
Forschungstauchen ist für mich zunächst einmal Mittel zum Zweck: Am Ende geht es darum, die Welt unter Wasser zu erkunden und zu untersuchen. Das ist immer wieder beeindruckend – zum Beispiel auf unserer Exkursion nach Dänemark, wenn wir Schweinswale, verschiedenste Fische und Wirbellose oder beeindruckend große Tangpflanzen beobachten können. Darüber hinaus gefällt mir am Forschungstauchen auch, dass so viele unterschiedliche Fähigkeiten trainiert werden. Auf der einen Seite ist es eine körperliche Herausforderung: Vielen Azubis, die vorher noch nicht viel getaucht sind, fällt es am Anfang schwer, ihre Position unter Wasser zu halten, ohne zur Seite zu kippen oder nach oben zu steigen. Die Wassertemperaturen im Freien können eisig sein, auch daran muss man sich gewöhnen. Auf der anderen Seite sind viele Azubis in der Ausbildung auch mit besonderen sozialen Situationen konfrontiert. In Tauchgruppen gibt es klare Hierarchien: Wer die Gruppe anführt, hat das Sagen und muss manchmal auch Entscheidungen für andere treffen, zum Beispiel in Notsituationen. So eine Rolle zu übernehmen, ist für viele Studierende eine ungewohnte Erfahrung.
Katja Fiegener, Auszubildende
Sportbegeistert war ich schon immer: In meiner Freizeit gehe ich laufen und schwimmen und mache Yoga. Für das Tauchen habe ich mich schon länger interessiert, und im vergangenen Sommer habe ich einen Tauchschein gemacht. Danach war mir klar, dass ich auch die Ausbildung als Forschungstaucherin machen möchte. Die absolviere ich jetzt neben meinem Bachelorstudium in Umweltwissenschaften. Neben der sportlichen Herausforderung interessiert mich vor allem die wissenschaftliche Arbeit unter Wasser, um Lebewesen in ihrer natürlichen Umgebung untersuchen zu können. Besonders gerne würde ich einmal in kühleren Gewässern oder auch Polargebieten tauchen.

Foto: Hendrik Reinert
Ich finde es wichtig, neben der Ausbildung weiter Sport zu treiben, um körperlich fit zu bleiben. Im Training sind aber auch mentale Fähigkeiten gefragt: Bei Rettungsübungen zum Beispiel geht es darum, sich bestimmte Handlungsabfolgen einzuprägen und genau umzusetzen. Diese Kombination aus mentaler und körperlicher Anstrengung sorgt dafür, dass ich manchmal nach dem Training ziemlich erschöpft bin.
Was mir an der Ausbildung besonders gefällt, ist der gute Zusammenhalt in der Gruppe. Wir unternehmen inzwischen auch privat viel zusammen und ich weiß, dass ich mich auf jede und jeden zu hundert Prozent verlassen kann. Das ist etwas, das ich aus normalen Uniseminaren nicht so stark kenne. Auch deshalb fände ich es toll, später Betreuerin zu werden und andere in der Ausbildung zu begleiten.
Jesper Nadolny, Auszubildender
Die Ausbildung zum Forschungstaucher war für mich ein wesentlicher Grund, warum ich mich für die Universität Oldenburg entschieden habe. Jetzt studiere ich Umweltwissenschaften im sechsten Semester und lerne nebenbei tauchen. Das konnte ich vor der Ausbildung noch nicht, obwohl ich schon immer einen Bezug zum Wasser hatte: Seit ich sechs Jahre alt bin, gehe ich regelmäßig zum Schwimmtraining.

Foto: Hendrik Reinert
Eine besondere Herausforderung in der Ausbildung ist für mich, gleichzeitig die Ruhe zu bewahren und schnell zu arbeiten. Das gilt zum Beispiel für den Aufbau von Geräten, die im Zweifelsfall lebenswichtig sein können. Überhaupt musste ich mich erst an die Atemgeräte gewöhnen: Am Anfang habe ich intuitiv versucht, sehr tief ein- und auszuatmen. Gerade das ist aber kontraproduktiv.

Foto: Hendrik Reinert
Wenn es darum geht, die Ausbildung mit dem Studium zu vereinbaren, muss ich Prioritäten setzen. Ich habe darauf geachtet, während der Ausbildung weniger andere Lehrveranstaltungen zu belegen und überlege auch, meinen Nebenjob ruhen zu lassen. Auf der anderen Seite kann ich aber auch schon im Studium von der Ausbildung profitieren: In meinem Studiengang ist ein zweimonatiges Praktikum vorgesehen, für das ich das Forschungstauchen gerne einbringen würde. Ich könnte mir auch vorstellen, für meine Bachelorarbeit Proben unter Wasser zu nehmen.
Lisanne Küppers, Ausbildungsbetreuerin
Ich studiere Umweltwissenschaften an der Universität Oldenburg und habe 2021 meine Ausbildung als Forschungstaucherin abgeschlossen. Was mir in der Ausbildung besonders gut gefallen hat, ist das gute Betreuungsverhältnis zwischen Betreuer_innen und Teilnehmenden. Dass auch andere davon profitieren sollen, war für mich ein Beweggrund, Betreuerin zu werden. Darüber hinaus hilft mir diese Aufgabe auch dabei, selbst im Training zu bleiben.

Foto: Hendrik Reinert
Nach der Ausbildung bin ich schon auf verschiedenen Einsätzen im Borkum Riffgrund und am Sylter Außenriff gewesen. Dort habe ich geholfen, „Arms“, also „Autonomous Reef Monitoring Structures“, auf dem Meeresgrund anzubringen. Das sind PVC-Platten, die übereinander geschraubt werden und als künstliches Riff dienen. Mit ihnen kann man Proben nehmen und diese später im Labor auswerten. Außerdem haben wir Videoaufnahmen gemacht, um die Artendiversität und die Grundbeschaffenheit zu erfassen. Die handwerklichen Arbeiten waren nicht komplex, aber die Bewegungsabläufe unter Wasser unterscheiden sich stark von denen an Land. Man sollte also für die Arbeit etwas handwerkliches Geschick mitbringen.

Foto: Hendrik Reinert
Kein Forschungstaucheinsatz ist wie der andere: Je nachdem, in welcher Art von Gewässer man taucht und welche Arbeiten man erledigt, gibt es unterschiedliche Herausforderungen. Die Ausbildung hat mir aber ein gutes Fundament gegeben, um verschiedenste Aufgaben erfolgreich zu meistern.
Es gibt Stellenausschreibungen, in denen explizit Forschungstaucher_innen gesucht werden, aber diese sind meistens auf einzelne Projekte und kurze Zeiträume beschränkt. Als Zusatzqualifikation ist die Ausbildung aber bei vielen Bewerbungen ein Pluspunkt. Auch für eigene Projekte kann die Ausbildung sehr hilfreich sein, zum Beispiel um Proben zu entnehmen. In Zukunft möchte ich weiterhin von der Ausbildung profitieren und in verschiedenen Projekten mittauchen.